Ihr gutes Recht!

Hinweis: Bei den nachfolgend gemachten Angaben handelt es sich um allgemeine Informationen, die nach bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen wurden. Leistungsberechtigungen hängen immer vom Einzelfall ab. Trotz sorgfältiger Prüfung können wir keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben und die Inhalte der verlinkten Websites übernehmen.

Als Eltern von Kindern mit einer Seltenen Erkrankung haben Sie (in Abhängigkeit von der Beeinträchtigung, die mit der Erkrankung einhergeht) Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen.

Diesen Anspruch auch durchzusetzen ist Ihr gutes Recht, kann oftmals aber einen hohen Bürokratieaufwand erfordern – vor allem dann, wenn Schwierigkeiten bei Bewilligungen auftreten oder Anträge abgelehnt werden. Wenn die Bedarfe eines Kindes akut sind, kann es frustrierend und kräftezehrend sein, wenn die Familie z.B. lange auf ein wichtiges Hilfsmittel warten muss.
Zusätzlich zu krankheitsbedingten Herausforderungen und Aufgaben, die zeitintensiv sein können, müssen Familien oft viel Zeit aufwenden und sich spezifisches Wissen aneignen, um Ablehnungsbescheide zu verstehen und Antragsbegründungen sowie Widersprüche zu schreiben. Viele Eltern von Kindern mit Seltenen Erkrankungen fühlen sich mit bürokratischen Herausforderungen alleingelassen.

Wieso ist es so schwierig, finanzielle Unterstützung zu erhalten?

Um mit diesen bürokratischen Herausforderungen umzugehen, ist es zunächst einmal hilfreich zu verstehen, wieso Ihnen als Eltern und Ihrer Familie scheinbar zusätzlich Steine in den Weg gelegt werden. Niemand versucht Sie als Eltern zu schikanieren oder bewusst zu behindern. Die Kostenträger der Leistungen (also z.B. Krankenkassen, Rentenversicherung, Träger der Eingliederungshilfe) müssen mit einem meist knappen Budget wirtschaften. Daher ist es ihre Pflicht sicherzustellen, dass keine unwirksamen Leistungen bewilligt werden, deren Finanzierung letztlich auf alle Beitrags- und Steuerzahler zurückfällt. Trotzdem ist es natürlich eine leidige Angelegenheit, weil man als Eltern meist sehr genau weiß, was das eigene Kind braucht und nichts unversucht lassen will, dem Kind bestmögliche Bedingungen zu schaffen. Um das zu erreichen ist es von Vorteil, wenn Sie als Eltern wissen, was Ihnen und Ihrem Kind zusteht und vor allem auch wie es gelingt, sein Recht einzufordern.

Was steht meinem Kind und uns Eltern zu?

Welche Leistungen und Hilfen Ihnen und Ihrem Kind zustehen ist in verschiedenen Gesetzen festgehalten. Obwohl es mittlerweile einige Gesetze speziell in Bezug auf die medizinische Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen (zu Eurordis) gibt, ist die Rechtsgrundlage der Ansprüche auf bestimmte Hilfs- und Sozialleistungen meist innerhalb der Sozialgesetzbücher (SGB) geregelt und z.B. dem (Schwer-)Behindertenrecht sowie Kranken- und Pflegeversicherungsrecht zuzuordnen. Für einige Belange sind auch das Schulrecht und Steuerrecht relevant. Das klingt erst einmal unübersichtlich und kompliziert – wäre es doch einfacher, wenn man alle relevanten Gesetzesgrundlagen an einer Stelle finden könnte. So einfach geht es leider nicht, da es bei den Leistungen bzw. Leistungsberechtigungen nicht darum geht, ob eine bestimmte Seltene Erkrankung vorliegt, sondern darum, mit welchen Beeinträchtigungen die jeweilige Seltene Erkrankung einhergeht. Verschiedene (Seltene) Erkrankungen können dabei zu verschiedenen, aber auch zu ähnlichen Beeinträchtigungen führen. Dieselbe (Seltene) Erkrankung kann auch zu unterschiedlichen Beeinträchtigungen führen. Da die Beeinträchtigungen wiederum in verschiedenen Bereichen auftreten können, muss auch dafür gesorgt werden, dass in den verschiedenen (Rechts-)Bereichen Hilfen bzw. (Entlastungs-)Leistungen bereitgestellt werden. Das ist ein Grund für die unterschiedlichen Gesetzesgrundlagen.
Das Anrecht auf bestimmte Leistungen und Hilfen kann z.B. durch den Grad der Behinderung (GdB) und den Pflegegrad des Kindes mit Seltener Erkrankung festgelegt sein. Außerdem gibt es das Recht auf Teilhabe (Bundesteilhabegesetz BTHG), was unabhängig von GdB und Pflegegrad greifen kann. Die hierunter fallenden Leistungen der Eingliederungshilfe sollen die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft sicherstellen und den Betroffenen ein möglichst selbstständiges Leben ermöglichen. Die Leistungsberechtigung hängt dabei nicht direkt vom GdB ab, sondern davon, wie bzw. ob sich die Beeinträchtigung Ihres Kindes auf dessen Fähigkeit zur Teilhabe auswirkt. Ihrem Kind stehen also Hilfen zu, damit es „teilhaben“ kann. Die Leistungen der Eingliederungshilfe können sehr vielfältig sein, darunter Leistungen zur Sozialen Teilhabe, Teilhabe an Bildung, Teilhabe am Arbeitsleben und zur medizinischen Rehabilitation. Welche Leistungen und Hilfen Ihr Kind im Einzelfall zur Teilhabe benötigt, ist natürlich nicht konkret gesetzlich verankert und muss daher mitunter gut begründet werden.

Die vorhandenen Rechte muss bzw. kann man – oft mit guter Begründung – durchsetzen. Einiges können Sie als Eltern allein bewerkstelligen. Geht es z.B. um die Bewilligung von Hilfsmitteln berät der oder die zuständige Orthopädietechniker*in, Therapeut*in, oder Kinderarzt/Kinderärztin. Manchmal lohnt es sich jedoch auch, sich professionelle juristische Hilfe zu holen, da die Gesetzeslagen doch sehr komplex sein können. Bei Seltenen Erkrankungen kann es zudem spezielle Belange geben, z.B. wenn es um die Kostenübernahme von Off-Label Therapien geht, der Zugang zu Hilfen durch eine unklare Diagnose erschwert wird, oder die Diagnose so selten ist, dass noch kein Begriff dafür existiert. Leistungen hängen in der Regel nicht direkt von einer Diagnose ab, dennoch kann eine festgelegte Diagnose eine problemlose Bewilligung bestimmter Leistungen erleichtern.

Was kann ich selbst tun?

Ansprüche prüfen und Anträge stellen

Zunächst einmal sollten Sie sich gut informieren, welche Hilfs- und Sozialleistungen Ihnen zustehen könnten. In den seltensten Fällen wird jemand auf Sie zukommen und Sie fragen, warum Sie denn noch nicht Leistung XY in Anspruch genommen haben – leider. Eine Übersicht über Hilfsangebote finden Sie in unserem Ratgeberbereich „Für Familien“. Auch eine Beratung kann dabei helfen, Ansprüche festzustellen. Weiterhin müssen Sie aktiv werden. Vereinbaren Sie z.B. direkt einen Termin mit einer/ einem Orthopädietechniker*in, um zu klären, ob Ihr Kind mit allen Hilfsmitteln versorgt ist, auf die es Anspruch hat. Rufen Sie bei Ihrer Kranken- bzw. Pflegekasse an und erbitten Sie Informationsmaterial zu bestimmten Leistungen. Bei der Antragstellung erhalten Sie je nach Leistung Hilfe bzw. Antragsbegründungen von Ihrem/ Ihrer Kinderärzt*in, Orthopädietechniker*in, Kranken- bzw. Pflegekasse oder unabhängigen Beratungsstellen (zum Ratgeberartikel zu Ansprechpartnern und Anlaufstellen). Machen Sie sich unbedingt eine Kopie des ausgefüllten Antrags, bevor Sie diesen absenden, damit Sie einen Nachweis für Datum und Inhalt der Antragsstellung in Ihren Unterlagen aufbewahren können.

Bearbeitung Ihres Antrages verfolgen, Bescheide prüfen, ggf. Widerspruch einlegen, Klage einreichen

Haben Sie einen Antrag gestellt, sollten Sie verfolgen, ob er bei der richtigen Stelle eingegangen ist. Das ist bei einigen Leistungsarten gar nicht so eindeutig. Erkundigen Sie sich nach eventuellen Fristen, die die Antragsprüfer einzuhalten haben. Bekommen Sie einen (Ablehnungs-) Bescheid, sollten Sie diesen in Ruhe durchgehen, um festzustellen, ob alle Angaben soweit korrekt sind und wie der/ die Antragsprüfer*in die Entscheidung begründet. Im Falle eines Ablehnungsbescheids haben Sie die Möglichkeit innerhalb der Widerspruchsfrist, die meist einen Monat beträgt, Widerspruch einzulegen. Auf den meisten Bescheiden finden Sie am Ende eine Rechtsmittelbelehrung, in der Fristen und Kontaktdaten zu entnehmen sind. Es reicht zunächst meist auch ein formloser schriftlicher Einzeiler ohne Begründung mit dem Hinweis, die Begründung nachzureichen. Ein formloser schriftlicher Widerspruch sollte Folgendes enthalten:

  • die Adresse des Empfängers und Absenders
  • das aktuelle Datum
  • den Widerspruch mit dem Hinweis, die Begründung nachzureichen
  • die Bezeichnung des Bescheides (z.B. Aktenzeichen)
  • Datum des Bescheides, gegen den Sie Widerspruch einlegen
  • Ihre Unterschrift.

Vor Absenden des Widerspruchs sollten Sie eine Kopie von dem Schreiben machen, damit Sie einen Nachweis für Datum und Inhalt des Widerspruchs in Ihren Unterlagen aufbewahren können. Für die Begründung Ihres Widerspruchs ist es sinnvoll, Einsicht in die für die Entscheidung herangezogenen Unterlagen zu nehmen. Falls diese Ihnen nicht vorliegen, können Sie von Ihrem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch machen und die erforderlichen Unterlagen bei der Stelle, von der Sie den Bescheid bekommen haben, anfordern. Bei dem Schreiben einer Begründung unterstützt sie ggf. der Kinderarzt/die Kinderärztin oder der/die Orthopädietechniker*in erneut. Es kann auch hilfreich sein, andere betroffene Eltern nach ihren Erfahrungen bei der Begründung eines Widerspruchs zu fragen. Wird Ihrem Widerspruch stattgegeben, erhalten Sie die beantragte Leistung wie gewünscht. Im Falle einer Ablehnung Ihres Widerspruchs erhalten Sie einen Widerspruchsbescheid. Ihnen bleibt nun noch die Möglichkeit gegen den Widerspruchsbescheid vor dem zuständigen (Sozial-)Gericht Klage zu erheben. Wie es dann weitergeht, können Sie auf der Seite des VdK nachlesen. Grundsätzlich benötigen Sie für Klage- und etwaiges anschließendes Berufungsverfahren (beim Landessozialgericht) keinen Anwalt. Etwaige Kosten, die für Beweiserhebungen und das Erstellen von Gutachten angefallen sind, müssen Sie, wenn es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt und wenn der Kläger (also Sie) Versicherter, Leistungsempfänger oder eine Person mit einer Behinderung ist, nicht selber aufbringen – auch wenn Ihre Klage keinen Erfolg haben sollte.

Wo finde ich weiterführende Informationen zu meinen Rechten?

Die folgende Linksammlung enthält Websites mit weiterführenden Informationen zu den relevanten Gesetzen und Rechtsgrundlagen.

Informationen zu Gesetzen und Rechten von Menschen mit Behinderungen:

Tipps und Ratgeber rund um Ihr Recht:

Was für Möglichkeiten der Rechtsberatung gibt es und wo kann ich eine (kostenfreie) Rechtsberatung erhalten? Lohnt sich eine Rechtsschutzversicherung?

Es gibt einige kostenfreie Beratungsangebote (für Beispiele siehe Kasten unten), die teilweise an bestimmte Bedingungen, wie ein geringes Einkommen, gebunden sind. Es gibt auch Angebote speziell für Eltern von Kindern mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen. Zudem besteht die Möglichkeit, kostenfreie Rechtsberatungen von Vereinen zu nutzen, wobei meist eine Mitgliedschaft Voraussetzung ist. Da diese in der Regel wesentlich günstiger als ein Rechtsanwalt ist, kann sich eine Mitgliedschaft durchaus lohnen. So bieten z.B. der Sozialverband VdK und der Sozialverband Deutschland (SoVD) eine kostenlose Sozialrechtsberatung für Mitglieder an. In Kooperation mit der ACHSE bietet die AOK Rheinland/ Hamburg ebenfalls eine kostenfreie Sozialrechts-Beratung für Angehörige und Menschen mit Seltenen Erkrankungen (auch für Versicherte anderer Krankenkassen). Große diagnosespezifische Patientenorganisationen, wie z.B. der Verein Mukoviszidose, bieten Betroffenen ebenso eine kostenlose anwaltliche Erstberatung. Falls Sie bereits Mitglied in einer Organisation oder einem Verein sind, informieren Sie sich, ob Sie hierüber rechtliche Unterstützung erhalten können. Sind Sie bisher kein Mitglied in einer diagnosespezifischen Patientenorganisation, Selbsthilfegruppe oder diagnosespezifischen Verein, kann es sich durchaus lohnen, über eine Mitgliedschaft nachzudenken. Viele diagnosespezifische Vereine und Organisationen bzw. Gruppen bieten Ihren Mitgliedern bei verschiedenen Anliegen, unter anderem eben auch juristischen Anliegen, hilfreiche Beratungsangebote. Weiterführende Informationen zum Thema Selbsthilfe finden Sie in unserem Ratgeber. Natürlich können Sie auch eine Rechtsschutzversicherung abschließen oder einen „regulären“ Anwalt hinzuziehen. Die Kosten einer Rechtsschutzversicherung belaufen sich, abhängig von verschiedenen Faktoren, auf etwa 150 – 600 Euro im Jahr. Sie haben die Möglichkeit bestimmte Rechtsschutzpakete auszuwählen. Ob sich eine Rechtsschutzversicherung lohnt, hängt im Einzelfall davon ab, ob massive oder wiederkehrende Streitigkeiten befürchtet werden müssen. Dabei sei angemerkt, dass ein Widerspruchs- oder Berufungsverfahren vor dem Sozialgericht in der Regel keine Kosten für Sie verursacht, mit Ausnahme der Anwaltskosten – sollten Sie einen Anwalt hinzuziehen. Diese Anwaltskosten übersteigen allerdings schnell den Betrag einer jährlichen Rechtsschutzversicherung (falls Sie aufgrund Ihres Einkommens keine Beratungs- oder Prozesskostenhilfe erhalten können). Sie können sich bei den unten genannten Adressen informieren, ob sich eine Rechtsschutzversicherung in Ihrem Fall lohnen kann. Weiterführende Informationen zum Thema Rechtsschutzversicherung finden Sie auf der Seite der Verbraucherzentrale.

Hier finden Sie einige Angebote zu (kostenfreien) Rechtsberatungen, die für Familien mit Kindern mit Seltenen Erkrankungen geeignet sein könnten.